10.11. -15.12.2017
Thomas Schroeren
"SUPERPOSITION"
10.11. -15.12.2017
Thomas Schroeren
"SUPERPOSITION"


22.11.17 Köln-Süd

Rote Pille Blaue Pille, Rote Pille Blaue Pille, Rote Pille...

Superposition - Thomas Schroeren

Die Ausstellung Superposition von T. Schroeren ist ein kritischer, persönlicher, und allgemeiner positionsanalytischer Kommentar mit den Mitteln der raumgreifenden Bildenden Kunst. Ein Mann ohne Eigenschaften begreift eben diese Eigenschaftslosigkeit als Alleinstellungsmerkmal in einer H&M-Welt, die sich durch nach Individualität lechzenden Gleichlingen ausweist.

Wie der Titel Superposition verrät, versucht der Künstler Schroeren eine übergeordnete und dadurch vereinende Perspektive auf den seit der Moderne anhaltenden Trend der zunehmenden Fragmentierung, Zerstückelung und Individualisierung einzunehmen. Seine Zusammenhänge betrachtende Forschung entspricht eher dem Ansatz des universalgelehrten Alchemisten der prehumanistischen und presecularisierten Zeit, als der dividierenden, intrapositionellen Doktrin der heutigen Fachgelehrten. Diese sind oftmals nicht mehr in der Lage über die Grenzen ihres Fachgebietes zu blicken, und machen dadurch ein interdisziplinäres Arbeiten unmöglich.

Ein klares Indiz für diesen, der analytischen, freien Assoziation entgegenkommenden Ansatzes ist die Gleichzeitigkeit verschiedenster bildgebender Strategien. So zeigt Schroeren klassisch anmutenden abstrakten und gegenständlichen Expressionismus, wie z. B. in den Gemälden „Motorboot", „Perminedes Memphis Salzburg“ oder „Kosmische Disqualifikation“. Gerade auch in dem letztgenannten zeigt sich die Reife des Künstlers, indem er unfreiwilligen, moralinsauren Humor, welcher oftmals von ernsten Themen ausgeht, mit Meta-Galgenwitz bekämpft, um mit der transgressiven Kraft des letzten Lachers im Angesicht der Verzweiflung weiter gehen zu können. Der symmetrische Aufbau des Ölgemäldes weist auf duale und dichotomische Prinzipien hin, die in der dritten Dimension gelten. Allerdings wird nicht mit fernöstlicher Wohlfühlphilosophie des Ausgleichs und der Harmonie versucht diese Prinzipien zu beleuchten oder zu überwinden, sondern indem man Links und Rechts wie zwei Kampfhunde aufeinander hetzt, bis sie beide im Kampf untergehen. Es prallen ockerfarbene Strukturen und Sterne vor einem Hintergrund, der kosmische Weiten suggeriert, aufeinander. Dahinter Ebenen von Farbe und Form, welche eine unbekannte Historie unter sich begraben, dabei aber ihre knochige Hand wie in einem Exploitation Film aus dem Grab der Geschichte ranken lassen, indem auch primäre Schichten der Untermalung partiell sichtbar bleiben.

Eine Emanzipation des Tafelbildes hin zum Objekt findet man in der Raumbezogenen Arbeit „Gate“. Zwei Leinwandbahnen, flächig mit Ölfarbe bemalt, sind so gehangen, dass die Bildkanten in der Mitte aufeinanderprallen und erneut eine symmetrisch wirkende Komposition tragen. Durch den Schnitt, der die beiden 2-dimensionalen Bildhälften voneinander trennt, entsteht eine 3-dimensionale Plastik, ein Tor, das in den nicht bespielten hinteren Teil der Galerie führt und als augenzwinkernde Einweihungspforte in höhere Dimensionen begriffen werden kann.

Während einige Arbeiten an die Spontanität und Impulsivität von Fluxus denken lassen (z. B. „Blut (durch Verletzung)“), finden sich dann wiederum strenge, an Konstruktivismus erinnernde Positionen innerhalb des gezeigten Werkkörpers, wie u.a. auf der Tafel „In Konkurrenz zur Sonne“, ohne aber dem oft lächerlich prätentiösen Ernst dieser Altgattung anheim zufallen. Eine Collage bestehend aus Toffifeeverpackungsmaterial, einer Leiterplatte, Filz, Salz und mehr. Schon der Titel erregt ätzende Assoziationen, die der Hybris des Menschen, der erbarmungslosen Geschwindigkeit der Technik, im Verhältnis zum moralischen Wachstum unserer Spezies geschuldet sind. Ein Leben in einer virtuellen Welt, welche Unsterblichkeit durch Kybernetik und Licht aus süßem Plastik verspricht. Salziger Rotz und ökologisch bewusste ganzheitliche Beuys-Bildungsbürgertum-Filztaschentücher, um sich die Nase zu Putzen. Eine rosa und braune Stoffmatrize, die so flach ist wie unsere Wahrnehmung der Scheinrealität bzw. Falschwahrnehmung der Realität, die uns im 21. Jahrhundert aufgeführt wird. Und auch wir sind multiple Celebrities in diesem Schauspiel, nach Belieben mal sakral und dann säkular, wie uns die Spiegelungen unserer Gesichter, umrahmt von einer goldenen Aureole in den konkaven Aussparungen des Karamell-Toffeebehälters, eindrucksvoll beweist.

Die Ikone zum Mitnehmen, als Fleischmaske über Knochen gesegnet durch Humanismus, Intellekt und Tantra. Der Kulturenthusiast hat sich als sein eigener personal Jesus erkannt, der hell wie der Logos, und definitiv heller als die Sonne strahlt. No Competition.Bravo Jörg-Dörte Müllerus-Popovitsch und Wiebke-Valentin Yildiz-Laufhammel, dass ihr so achtsam achtgegeben habt. Ab in die Pause und bis zum nächsten Loop.

Die vielfältigen Methoden von Bildfindung, Raumwahrnehmung und Narration ermöglichen es auch dem Rezipienten sich von der reinen Betrachtung der Oberfläche zu distanzieren, um das tatsächlich vereinende Grundelement zu erspüren. In dieser uns präsentierten Gleichzeitigkeit aus stilistischen Verschiedenheiten liegt der Missing Link, welcher der ganzen Ausstellung, und damit zu einem Teil auch den Einzelwerken, innewohnt (und sie miteinander verbindet). Ein gemeinsamer Subtext, welcher nur aus dem Überblick erahnt werden kann. Eine Gleichheit, die sich in der Systematik des Gesamtprozesses erkennen lässt, und weniger in materiell Formellen oder strukturellen Übereinstimmungen der Einzelwerke. Seien es nun der Humor, die Depression, die metaphysische und okkulte Tiefgründigkeit, der alltägliche Randomquark oder subtile bildimmanente Aspekte, die sich der verbalen Deutung entziehen. Es sind solche Merkmale mit denen die Werke untereinander kommunizieren und uns daran Anteilnehmen lassen.

Die Suche nach der persönlichen Handschrift ohne dabei immer dasselbe Wort zu stempeln. Wie auch das Individuum, welches seine momentane u. a. gesellschaftliche, spirituelle, künstlerische, emotionale und physische Position als Momentaufnahme versteht, und nicht als festen unveränderbaren Zustand. Ebenso begreift Schroeren sein Werk als methodische Forschung auf der Suche nach dem seinigen vereinenden Subtext, ohne sich dabei durch Stilzwang, oder einem wie auch immer gearteten Product Branding, welches einem veralteten Wiedererkennungsprogramm entspricht, einschränken zu lassen. Durch diese Freiheit, zwischen den Stilen und den Kunstgattungen zu springen, erscheint der gemeinsame Nenner des präsentierten Werkkörpers umso deutlicher. Es wird möglich, durch die neutrale oder übergeordnete Beobachtung der Handlungsmuster die daraus folgenden Ergebnisse besser zu verstehen.

Diesen Fugenkitt, der die Einzelkacheln verbindet und auf eine Ebene bringt, könnte man als Abgesang auf die Ismen, Richtungsbarometer der Politik und anderer verfestigenden Kategorisierungen verstehen, welche sich als den Stein der Weisen betrachten in einer scheinbar komplexer werdenden (oh du schöne neue) Welt. Diese zeitgenössische, oberflächliche Komplexität, die sich vor allem durch gleichschaltenden, progressiv-liberalen Egalitarismus zeigt, der jede Diversität, ob in der Kunst, der Rhetorik oder der breiteren Kultur zerstört, wird hier durch einen von Schroeren angewandten psychologischen Kubismus/Futurismus in seiner Eindimensionalität entlarvt.

Christian Dumitru Stefanovici
Thomas Schroeren, "Superposition"„Hochzeitstorte“ Holz, Metall, Farbe, 45 x 20 x 18 cm, 2017 „Motorboot“ Öl auf Pappmaché, Mdf, lackiert, 150 x 60 cm, 2015 „beliebig belanglos sms“ Kunststoff, Metall, Holz, Mdf, Papier, 255 x 185 x 10 cm, 2017 „beliebig belanglos sms“ (Detail) Kunststoff, Metall, Holz, Mdf, Papier, 255 x 185 x 10 cm, 2017 „Thor zu Freya“ C-Print, gerahmt, 182 x 122 cm , 2017 „L (Verhältnis zur Tochter)“ Pastell auf Papier, Lack, Kunststoff, Holz, Metall, 70,5 x 56 cm, 1996/2017 „Blöder Bezzler“ Papier und C-Print auf Holz, Glas, 90 x 70 cm, 2017 „Komm in meine Arme“ Kunststoff, Metall, Rosen, Fell, 15 x 20 x 25 cm, 2017 Komischer Zufall“ Glas, Kunststoff, Metall, Sand, 188,5 x 8 cm Durchmesser, 2017
„In Konkurrenz zur Sonne“ Filz, Stoff, Salz, Metall, Holz, Kunststoff, Leiterplatte, 155 x 105 x 7 cm, 2017
„Blut (durch Verletzung)“ Blut, Zellstoff, Glas, Holz, Farbe, 60 x 46 cm, 2017
Komischer Zufall“ (Detail) Glas, Kunststoff, Metall, Sand, 188,5 x 8 cm Durchmesser, 2017 „In Konkurrenz zur Sonne“ Filz, Stoff, Salz, Metall, Holz, Kunststoff, Leiterplatte, 155 x 105 x 7 cm, 2017 „Kosmische Disqualifikation“ Öl auf Leinwand, 200 x 180 cm, 2002,
„A slit wide open“ Keramik, Aluminium, Holz, Rosen, Sand, Lack, Öl, 155 x 122 cm, 2017
„A slit wide open“ Keramik, Aluminium, Holz, Rosen, Sand, Lack, Öl, 155 x 122 cm, 2017 „Blut (durch Verletzung)“ Blut, Zellstoff, Glas, Holz, Farbe, 60 x 46 cm, 2017 Thomas Schroeren, "Superposition"„Gate“ Öl auf Nessel, 250 x 122, 2 Teile, 2001 „Karriereproblem“ Metall, Papier, Holz, Farbe, Glas, 62 x 69 x 7 cm, 2017 Thomas Schroeren, "Superposition"„Parmenides, Memphis Salzburg (Das unerschütterliche Herz der wirklich überzeugenden Wahrheit)“ Öl auf Holz, 180 x 120 cm, 2017 „Milchpyramide Maltischpyramide“ Metall, Glas, Lack, 75 x 100 x 100 cm, 2015-2017


Fotot Credits: Paul Schöpfer